Heute gibt es viel zu lesen und zu erfahren: BAK Economics hat eine detaillierte Studie zum Finanzplatz Zürich veröffentlicht LINK. Die Studie Finanzplatz Zürich 2025/2026, die im Auftrag der Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich erstellt wurde, bietet eine Fülle an Daten, Analysen und wertvollen Einschätzungen sowie konkrete Handlungsempfehlungen.
Für mich als Makroökonom – der die Welt von oben betrachtet (Kritiker sagen, aus dem Elfenbeinturm herab) – ist eine solche umfassende Darstellung äusserst wertvoll. Sie hilft dabei, sich eine fundierte Meinung über die Zukunft des Finanzplatzes zu bilden. Ich erlaube mir daher, im heutigen Blog eine Interpretation aus makroökonomischer Sicht zu publizieren (BAK Economics steht ja nicht nur für Analysen und Technologie, sondern auch für Diversität).
Während sich die aktuellen Debatten über Banken mehrheitlich um die Integration der Credit Suisse in die UBS drehen, sollten wir nicht vergessen, dass es beim Finanzplatz um weit mehr geht.
Der Blick muss nach vorn gerichtet sein: Wo liegen die echten Wachstumsfelder, die die Schweizer Wirtschaft langfristig voranbringen? Die Studie liefert wertvollen Stoff für kontroverse Diskussionen.
Innovation braucht Kapital
Fakt ist: Zürich ist das unangefochtene Finanzzentrum der Schweiz. Milliardenwerte strömen durch seine Banken, Versicherungen und Investoren. Der Finanzplatz läuft Gefahr, sich aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive zu stark auf seine Kernkompetenzen und bisherigen Stärken – die Vermögensverwaltung und die (Hypothekar-)Kreditvergabe – zu stützen. Zwar profitieren weite Teile der Wirtschaft vom Finanzsektor, doch bleibt Potenzial ungenutzt: Wo sind die bahnbrechenden Start-ups?
Die These: Zürich muss sich als Kapitalstandort weiterentwickeln, um noch besser den volkswirtschaftlichen Bedürfnissen gerecht zu werden.
Ein wenig Theorie: Banken haben in der Ökonomie eine zentrale Funktion. Sie bringen Personen, die Geld anlegen wollen (Vermögensverwaltung), mit Unternehmen oder Haushalten zusammen, die Kapital benötigen (Kredite). Investiert wird in Immobilien, weil man Platz braucht, in Maschinen, um die Kapazität zu erweitern, oder generell in Innovationen. Vieles davon macht Zürich gut – das zeigt die Studie eindrücklich.
Doch wer besser werden will, muss auch seine Schwächen kennen. Daher setzt die Studie zu Recht einen Schwerpunkt auf die Entwicklung des Risikokapitals.
Ohne Risiko keine Innovation
Risikokapital und Innovation sind quasi Zwillinge. Die Studie legt eindrücklich dar, dass Private Equity und Venture Capital für Start-ups überlebenswichtig sind. Doch gerade hier liegt die Schwachstelle: Schweizer Investoren denken oft zu konservativ. Sie lieben Immobilien, ETFs und bewährte Geschäftsmodelle. Start-ups? Zu riskant.
Dabei sprechen die Zahlen eine klare Sprache: Die Region Zürich hat allein in den letzten Jahren über CHF 9.6 Milliarden in Start-ups investiert – mehr als die Hälfte der gesamten Start-up-Finanzierung der Schweiz. Klingt viel? Nicht, wenn man es mit internationalen Hubs vergleicht. In den USA oder Asien wäre das ein Tropfen auf den heissen Stein. Wir könnten viel mehr – wenn wir uns trauen würden.
Start-ups sind der Motor echter Innovation
Ein Blick auf unsere Konsumgewohnheiten zeigt: Wirkliche Innovationen entstehen in vielen Branchen nicht in etablierten Unternehmen, sondern in Start-ups. Sie entwickeln radikal neue Geschäftsmodelle, treiben disruptive Technologien voran und transformieren ganze Industrien. Doch genau diese Innovationen finden kaum traditionelle Finanzierungen.
„Traditionelle“ Banken sind – meines Erachtens zu Recht – auf Sicherheit bedacht (sie sind schliesslich auch den Einlegerinnen und Einlegern verpflichtet), und institutionelle Investoren setzen auf Stabilität. Doch ohne mutige Kapitalgeber bleibt bahnbrechenden Ideen der Zugang zu Wachstumsmärkten verwehrt. Es braucht mehr alternative Geschäftsmodelle.
Handlungsfelder
Die Studie zeigt: Wenn Zürich als Motor für grosse Innovationen international relevant bleiben will, besteht Handlungsbedarf.
1. Schluss mit der Unsichtbarkeit: Zürich muss sich als globaler Venture-Capital- und Private-Equity-Standort positionieren. Es reicht nicht, gut zu sein – man muss auch laut darüber sprechen.
2. Netzwerke schaffen: Investoren, Start-ups und etablierte Unternehmen müssen enger zusammenarbeiten. Eine zentrale Dialogplattform könnte die richtigen Leute an einen Tisch bringen.
3. Mehr Mut zur Förderung: Andere Standorte setzen steuerliche Anreize für Wagniskapital und ermutigen institutionelle Investoren, in Risikokapital zu investieren.
4. Bildungsoffensive für Investoren: Viele potenzielle Geldgeber verstehen nicht, wie Venture Capital funktioniert. Bildungsprogramme könnten helfen, Ängste abzubauen und Kapital in zukunftsweisende Projekte zu lenken.
5. Klare Regeln, weniger Bürokratie: Start-ups und Investoren brauchen ein stabiles, planbares Umfeld mit wenig administrativen Hürden. Sonst verlagern sich Innovationen dorthin, wo es einfacher ist.
6. Transparenz: Niemand soll blindlings Risiken eingehen. Risikokapital bringt automatisch auch Verluste mit sich. Nur wer bereit ist, ein solches Wagnis einzugehen, sollte dies auch tun – ohne es mit der traditionellen Vermögensverwaltung zu vermischen.
Zürich kann mehr!
Zürich hat das Potenzial, Europas führendes Finanz- und Innovationszentrum zu sein. Doch der Weg dorthin erfordert eine klare Strategie und die Zusammenarbeit vieler Akteure. Mit zu vorsichtigem Vorgehen und einem übertriebenen Sicherheitsdenken wird das nicht gelingen. Um mit der Dynamik von Singapur, London oder New York mitzuhalten, muss Zürich Gas geben. Zumal Zürcher Institute derzeit mit der Integration der CS in die UBS beschäftigt sind bzw. mit dem „Verdauen“ der Mittelzuflüsse aus der CS-Krise.
Nutzen wir die Chancen, die das hohe Niveau an Bank-Knowhow und der international hervorragende Ruf bieten, und bauen wir Zürich als Hochburg für smartes Kapital aus.
Silicon Valley ohne politischen Lärm – das wäre doch was!