Für ein kleines, offenes Land wie die Schweiz ist das eine besondere Herausforderung. Machtpolitik ist nicht nur Trump – sie ist auch Brüssel (wenn auch deutlich milder und anständiger im Ton). Erinnern wir uns: Die EU verweigerte der Schweiz sowohl die Börsenäquivalenz als auch den Zugang zu Horizon 2020. Nicht, weil die Schweiz nicht kooperiert hätte, sondern weil sie bei den institutionellen Verhandlungen auf Zeit spielte.
Was also ist der Nutzen stabiler Beziehungen?
Unsere Modelle erlauben, diese Frage in Franken und Stellen zu beantworten. Für economiesuisse haben wir den Wert der Bilateralen Verträge mit der EU quantifiziert (Link auf die Studie). Das Ergebnis ist klar:
Resultate – auf einen Blick
BIP: Bis 2045 läge das Schweizer BIP 7.1 % tiefer als mit Bilateralen I; kumuliert entspricht das rund CHF 685 Mrd. (≈ ein Jahres-BIP von 2017).
Wachstumspotenzial: Langfristiges Wachstum –0.5 Prozentpunkte p. a. (≈ –¼ des Potenzials).
- Beschäftigung: Bis 2045 rund –235’000 neu geschaffene Stellen; Arbeitslosigkeit +0.4 Prozentpunkte.
- BIP pro Kopf: –4.7 % bis 2045 (≈ CHF 5’200 pro Person); kumuliert CHF 45’700 pro Kopf.
- Treiber: Grösster Effekt vom Ende der Personenfreizügigkeit (Fehlen von ~210’000 qualifizierten Arbeitskräften, schwächere Produktivität). Zusätzlich ins Gewicht fallen Luftverkehr, technische Handelshemmnisse (TBT) und der Ausschluss von EU-Forschungsprogrammen.
- Systemische Effekte: Der Verlust stabiler Beziehungen schwächt die Standortattraktivität (Handel, Investitionen, Innovation). Modelliert werden u. a. ~CHF 168 Mrd. (Attraktivität), ~CHF 60 Mrd. (Forschung) und ~CHF 86 Mrd. (TBT) bis 2045.
Gerade in einer Welt, in der Handelskonflikte jederzeit und überall aufflammen, ist das Wissen um dieses „Value at Risk“ zentral. Eine Rückfalloption quasi, wie das berühmteste aller «Rettungsboote», die Arche Noah.
Natürlich: Politik ist komplexer als jedes Szenario. Sie besteht aus Deals, Zufällen und Machtkämpfen – nicht aus Modellrechnungen. Aber Szenarien helfen, Grössenordnungen zu verstehen. Sie machen sichtbar, was wir riskieren, wenn wir Stabilität und Planbarkeit aufs Spiel setzen.
Die Schweiz hat als kleine, offene Volkswirtschaft in der neuen geopolitischen Weltlage besonders viel zu verlieren. Szenarien sind keine Prognosen, aber sie quantifizieren das Risiko. Und genau das ist heute zentral: In einer Welt, die unsicherer und unberechenbarer wird, zählt Verlässlichkeit doppelt – als Standortfaktor und als politisches Kapital.
Natürlich: Migration hat nicht nur Vorteile, sondern auch Kosten. Wir von BAK können beides beziffern. Genau deshalb sind wir überzeugt, dass wir beispielsweise prädesdiniert wären, eine Analyse der Auswirkungen einer 10-Millionen-Schweiz optimal ausführen zu können. Szenarien sind keine Kristallkugeln – aber sie machen sichtbar, was auf dem Spiel steht.
Das ist der eigentliche Wert von ökonomischer Analyse: das Value at Risk nüchtern zu benennen. Also zu wissen, wie komfortabel die Arche Noah ausgestaltet wäre, wenn man sie braucht.