„Don’t fight the Fed!“ – das ist seit jeher die eiserne Regel an den Finanzmärkten. Wer sich gegen den Kurs der US-Notenbank stellt, landet fast immer auf der Verliererseite. Heute jedoch bekommt diese Regel eine neue, zutiefst politische Dimension. Donald Trump kämpft nicht mehr gegen einzelne Zinssitzungen oder unbequeme Fed-Mitglieder, sondern gegen die Institution als Ganzes. Sein Ziel: Kontrolle – und tiefere Zinsen.
Trump denkt wie der Immobilienentwickler, der er ist. Tiefe Zinsen sind immer besser – für Hypotheken, für Finanzierungen, für hoch verschuldete Projekte. Und da die USA mittlerweile ein Verschuldungsniveau erreicht haben, das selbst europäische Finanzminister staunen lässt, wirkt die Logik auf den ersten Blick bestechend: tiefe Zinsen = tiefere Schuldendienstkosten. Doch so simpel ist die Welt nicht.
Nackte Zahlen
Die US-Staatsausgaben für 2025 belaufen sich auf rund 11’550 Milliarden USD, die Staatseinnahmen auf etwa 9’580 Milliarden USD. Das Defizit beträgt damit 1’900 Milliarden, während die Gesamtschulden auf 36’920 Milliarden USD angewachsen sind.
An der Ausgabenseite hat Trump nichts ändern können. Seine Zölle bringen zwar Mehreinnahmen – hochgerechnet rund 350 Milliarden USD bei einem Durchschnittszollsatz von 17,7 Prozent. Doch das deckt gerade einmal ein Fünftel des jährlichen Defizits. Zölle sind also kein Ersatz für strukturelle Haushaltsreformen.
Der blinde Fleck: Zinsstrukturkurve
Was Trump ebenfalls ignoriert: Die Fed steuert nur das kurze Ende der Zinskurve. Am langen Ende geben die Märkte den Ton an. Zwar haben Arbeitsmarkt- und Immobiliendaten zuletzt Zinssenkungshoffnungen genährt und Powell befeuerte sie mit seinem Auftritt in Jackson Hole. Doch während die kurzen Sätze sinken, wetten Investoren am langen Ende zunehmend auf steigende Renditen.
Das Open Interest im Ultra Long Term Treasury Future (Laufzeiten 2050–2055) hat mit 2,3 Millionen Kontrakten ein Rekordniveau erreicht. Typischerweise ein Hinweis auf hohe Short-Positionen – also auf Wetten gegen fallende Zinsen.
Das Decoupling
Noch ein Beispiel gefällig? Seit Dezember hat die Fed die Leitzinsen um 100 Basispunkte gesenkt. Die langfristigen Renditen aber blieben stabil oder sind sogar gestiegen.
Mit fast 1’000 Milliarden USD an jährlichen Zinszahlungen wächst der Zweifel, ob die Fed Inflation ernsthaft bekämpfen kann, während die Fiskalpolitik gleichzeitig niedrige Zinsen fordert. Das ist Fiscal Dominance in Reinform.
Die Notenbank hat das kurze Ende im Griff. Das lange Ende aber preist Risikoaufschläge ein – und sendet ein klares Misstrauensvotum.
Der perfekte Sündenbock, den Trump nicht sieht
Dabei gäbe es für einen Autokraten wie Trump eigentlich eine noch bessere Strategie. Nichts ist für eine Wiederwahl seiner Bewegung (ich hoffe nicht, von ihm selbst) gefährlicher als Inflation. Trump selbst ist ja überzeugt, dass die Wirtschaft unter seiner Präsidentschaft boomen wird. In einem solchen Szenario wäre es geradezu ideal, eine hawkische Fed im Rücken zu haben: Eine Institution, die die Inflation im Zaum hält und gleichzeitig als Prügelknabe für jeden Wachstumsdämpfer dienen kann.
Mit einer expansiven Fed läuft er hingegen Gefahr, dass steigende Inflation letztlich auf ihn selbst zurückfällt. Dass Trump diese Logik nicht erkennt – oder nicht erkennen will – ist mindestens so bemerkenswert wie sein aktueller Kurs.
Das mögliche Endgame
Wie geht es weiter? Schritt eins ist bereits sichtbar: eine immer steilere Zinskurve. Die Fed senkt die Leitzinsen, doch das lange Ende widersetzt sich. Je mehr Trump versucht, Kontrolle über die Notenbank zu gewinnen, desto stärker steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Renditen am langen Ende weiter nach oben klettern – getrieben von Zweifeln an der Tragfähigkeit der US-Finanzen.
Schritt zwei wäre dann wohl ein noch drastischerer Eingriff: Yield Curve Control durch die Fed. Japan hat vorgemacht, wie eine Notenbank nicht nur die kurzen, sondern auch die langen Zinsen fixiert – indem sie gezielt Langläufer kauft, faktisch also den Staatshaushalt über die Notenpresse mitfinanziert.
Das könnte kurzfristig wirken, denn die Fed hat durchaus die Bilanzmacht, um am langen Ende der Kurve Einfluss zu nehmen. Doch der Preis wäre hoch. Sobald die Fed versucht, die gesamte Zinsstrukturkurve unter Kontrolle zu bringen, könnte sich der Kampf mit den sogenannten Bond Vigilantes erst richtig entzünden. Dann heisst es nicht mehr „Don’t fight the Fed“, sondern „The Fed fights the market“. Und das wäre womöglich das eigentliche Endgame. Wer wohl den längeren Atem hat?