Bevor wir uns den Stablecoins zuwenden, nochmals einige grundlegende Überlegungen zu herkömmlichem Geld und Kryptowährungen. Geld beruht letztlich auf Vertrauen – in Institutionen, insbesondere in Zentralbanken, Staaten oder allgemeiner in die soziale Norm. Das Prinzip vieler Kryptowährungen hingegen ist Misstrauen: Misstrauen in Geld, Zentralbanken und Staaten. Die Idee: Geld ohne Gegenpartei, ohne Schulden, ohne „Lender of Last Resort“.
Technisch gesehen sind Kryptowährungen nichts anderes als eine Datenbank. Im Unterschied zu den meisten Datenbanken, die wir etwa bei Google, ChatGPT oder als SharePoint im Alltag nutzen, besitzt hier jeder Nutzer eine vollständige Kopie. Alle bestätigen und aktualisieren Transaktionen in festgelegten Intervallen. Die Daten sind kryptografisch verschlüsselt, was Besitz und Integrität absichert. Im Kern ist eine Kryptowährung also eine fortlaufend aktualisierte Datenbank, die jederzeit ausweist, wer was besitzt.
Im Grunde ist auch Geld längst nichts anderes mehr als eine Datenbank. Unsere Kontoguthaben sind Zahlen auf einem Server – verwaltet von einer Bank. Wir leben in einem datenbankbasierten Geldsystem: Rund 93 % des Geldes existieren nur digital, lediglich etwa 7 % physisch.
Wenn Geld und Kryptowährungen also eigentlich nur Datenbanken sind, wo liegt dann der Unterschied?
Der Unterschied liegt in der Logik der Buchung: Im Geldsystem ist jeder neue Dateneintrag eine Schuld. Neue Einträge entstehen als Kredit – an Staaten, Unternehmen oder Haushalte. Jede Einheit Geld ist somit eine Verbindlichkeit. Das System basiert auf Schulden – und trägt Gegenparteirisiken.
Die Nachfrage nach Kryptowährungen entspringt dem Wunsch nach einer neuen Form der Datenbank – unabhängig von Schulden. Geld, nicht Kredit. Vertrauen in Kryptografie und Dezentralisierung. Misstrauen gegenüber Staat und Zentralbanken.
Das Problem mit Wünschen ist, dass unklar bleibt, ob sie sich erfüllen. Kryptowährungen leiden letztlich unter demselben Grundproblem wie Geld: Jeder kann eine eigene „Währung“ schaffen, eine glaubhafte Begrenzung fehlt. Niemand kann für die von ihm gewählte Kryptowährung wissen oder garantieren, dass die heutige Verschlüsselung auch künftig sicher bleibt, dass der Programmcode in guter Absicht geschrieben wurde, dass der Staat nicht doch eingreift oder dass die gewählte Währung dauerhaft nachgefragt wird. Ich jedenfalls nicht. Die Zukunft wird es zeigen. Aus Anlegersicht ähneln Kryptowährungen daher Optionen: Tritt das erwartete Ereignis – die Werterhaltung – ein, gewinnt man; wenn nicht, verliert man unter Umständen alles.
Diese Eigenschaft erklärt die extreme Volatilität – und warum viele Investoren Abstand halten, obwohl das Prinzip einer modernen, dezentralen Datenbank zur Geldübertragung an sich durchaus faszinieren könnte.
Was ist ein Stablecoin?
Und hier kommen die Stablecoins ins Spiel. Sie sollen dank der Anbindung an eine bestehende Währung die Volatilität klassischer Kryptowährungen glätten und Transaktionen massentauglich machen. Sie fungieren als Brücke zwischen traditionellem Geld und der digitalen Ökonomie. Sie ermöglichen schnelle, kostengünstige, grenzüberschreitende Zahlungen und bieten in Ländern mit schwacher Währung einen gewissen Inflationsschutz.
In der Substanz jedoch gilt: «Ein Stablecoin ist nichts anderes als staatliche Schulden, abgesichert durch eine Blockchain».
Nachfrage ist somit vor allem dort zu erwarten, wo die lokale Währung schwächer ist als der US-Dollar (die meisten Stablecoins sind an diesen gekoppelt), wo der Zugang zu Dollar eingeschränkt ist oder wo Stablecoins Transaktionen vereinfachen – etwa im Internet oder in Bereichen, die die Aufsichtsfunktion des Bankensystems umgehen wollen. Schliesslich haben Stablecoins dieselben Nachteile wie das bestehende Geldsystem: Ihre Werthaltigkeit – insbesondere der Schutz vor Inflation – reicht nur so weit, wie das Vertrauen in Staat und Zentralbank trägt.
Die Symbiose Trump-Stablecoins
Ich kann Trumps Handeln nicht prognostizieren. Ob er persönlich von Kryptowährungen begeistert ist, bleibt offen. Sicher ist jedoch, dass seine Bewegung viele Menschen mit tiefem Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen vereint. Die Unterstützung von Stablecoins entspricht zudem einem strategischen Kalkül: Sie stärken die Dollar-Dominanz. Nahezu alle Stablecoins sind an den US-Dollar gekoppelt und müssen gemäss dem neuen GENIUS Act vollständig durch hochliquide Aktiva wie US-Staatsanleihen gedeckt sein.
Die Emittenten halten somit kurzlaufende Treasuries – genau jene Titel, mit denen die USA ihre Defizite finanzieren – das dürfte Trump gefallen.
Stablecoins absorbieren dadurch zunehmend Teile der kurzfristigen US-Schulden und schaffen eine neue, private Nachfragequelle für Treasuries. Emittenten wie Tether und Circle (USDC) halten einen beträchtlichen Anteil ihrer Reserven in diesen Papieren. Insgesamt belaufen sich die Bestände aller Stablecoin-Emittenten auf rund 120 bis 160 Milliarden US-Dollar, also etwa 1,2 bis 1,6 Prozent des gesamten Treasury-Markts. Tendenz steigend. Schliesslich ist der «Trump-Trade» – also alles zu kaufen, was der Präsident unterstützt oder fördert, eine nachvollziehbare Strategie an den Finanzmärkten. Und für Emittenten von Stablecoins ergibt sich ein attraktiver «Carry Trade»: Sie nehmen zinslose Einlagen entgegen und investieren diese in verzinste US-Staatsanleihen.
Das US-Finanzministerium betrachtet Stablecoins bereits als einen der wichtigsten neuen Nachfragekanäle – mit dem Potenzial, in eine Grössenordnung ähnlich grosser Staatsinvestoren wie China oder Grossbritannien vorzudringen.
Sollte dieser Mechanismus aufgehen, würde ein wachsender Teil der US-Defizitfinanzierung indirekt über Stablecoin-Reserven erfolgen. Damit tragen letztlich die Halter dieser Stablecoins das Risiko der US-Schuldenlast. Der GENIUS Act wirkt in dieser Perspektive wie ein raffinierter Mechanismus, um Kapital aus der globalen Kryptonachfrage in den US-Staatsanleihenmarkt zu lenken.
Was vergessen geht: Krypto entstand als Kritik am Geld und Schuldensystem – und wird bei Stablecoins zu dessen Verlängerung. Zutiefst in Trump’s Sinn: ein Mechanismus, um neue Schulden aufzunehmen und Defizite zu finanzieren.
Fazit:
Stablecoins sind kein neues Geld. Sie sind digitale Verpackungen alter Schulden.
Kryptowährungen sind Protest. Stablecoins sind Integration.
