SELL IN MAY, NUMBSKULL

Der Titel ist frech, zugegeben. Aber das Fluchwort stammt nicht von mir, sondern von Donald Trump – er hat Fed-Chef Jerome Powell kürzlich als «numbskull», also Dummkopf, beschimpft. Und auch der entschiedene Hinweis, sich aufs Wesentliche zu konzentrieren, geht nicht auf mein Konto, sondern auf Bill Clintons Wahlslogan: «It’s the economy, stupid.»

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Der Mai 2026 dürfte einer der wichtigsten Termine für die Finanzmärkte der nächsten Jahre werden – dann endet die Amtszeit von Jerome Powell. Und Trump kann dann als Präsident den nächsten Fed-Chef nominieren. Die alte Börsenregel sell in May and go away könnte eine ungeahnte Renaissance erleben. Das Risiko für politische «Unfälle» ist hoch – erste Marktreaktionen sind bereits sichtbar.

Trumps Verhältnis zur Fed war nie entspannt, obwohl er Powell in seiner ersten Amtszeit selber nominiert hat. Wiederholt versuchte er, Powell zu Zinssenkungen zu drängen – mit Tweets, Drohungen und Beleidigungen. Doch Powell blieb standhaft. Viermal in Folge beliess die US-Notenbank die Leitzinsen im Zielband von 4,25 % bis 4,5 %. Ein wichtiges Signal: Geldpolitik ist (noch) unabhängig.

Angriffe auf die Fed: Märkte mögen das gar nicht

Finanzmärkte reagieren empfindlich auf Angriffe gegen unabhängige Institutionen. Der Dollar steht unter Druck, die langfristigen Zinsen sind gestiegen. Spekulationen über einen potenziellen Powell-Nachfolger, der stärker politisiert agiert, haben den Greenback zuletzt auf Mehrjahrestiefs gedrückt – gegenüber dem Franken, dem Euro und auch gegenüber Gold.

Einflussverlust Powells – und der Schatten des Nachfolgers

Dass Trump Powell öffentlich demontiert, schwächt dessen Autorität bereits heute. Die Märkte orientieren sich zunehmend an dessen möglichem Nachfolger – und dessen Haltung zur Geldpolitik.

Im Rennen:

  • Christopher Waller: Aktueller Fed-Gouverneur mit Nähe zu Trumps Linie. Liebäugelt mit präventiven Zinssenkungen – ähnlich wie Powell bei Trumps ersten China-Zöllen. Bringt sich etwas gar durchsichtig in Stellung als Nachfolger. 
  • Kevin Warsh: Ehemaliger Fed-Gouverneur, bekannt für seine Kritik an der «woken» Ausrichtung der Fed, sprich der Verzettelung mit Umwelt- und Sozialzielen. Das mag Trump. Aber, galt stets als Inflationsfalke. Würde Trump ihn nominieren, wäre das entlarvend – Trump fordert niedrige Zinsen, fürchtet aber gleichzeitig Inflation. Braucht einen «Buh-Mann»
  • Kevin Hassett: Leiter des National Economic Council. Langezeit ein einfacher Ökonom. Nun ein bekennender Verfechter von Trumps Zollpolitik. Gälte als willfähriger Kommunikator der Regierungslinie.
  • Scott Bessent: Derzeit US-Finanzminister. Intellektuell respektiert, aber mit Makel: Er kritisierte einst die kurzfristige Verschuldungspolitik seiner Vorgängerin Janett Yellen – betreibt nun aber selbst das Gleiche. Zudem steht er Zöllen kritisch gegenüber. Sollte Trump ihn «wegbefördern», könnten die Märkte nervös reagieren – nicht wegen seiner Person, sondern weil er in der Administration Trump als Gegengewicht zu den «Zoll-Falken» fehlt.
 

Fazit: Unsicherheit nimmt zu – und bleibt

Egal, wer den Fed-Vorsitz übernimmt – bereits die Debatte darüber erhöht die Volatilität und schwächt den Dollar. Dieses Thema dürfte die Märkte bis zur Ernennung im Mai 2026 begleiten. Schweizer Exporteure stellen sich besser auf eine längere Zeit schwache US-Währung ein. 

Zwar mögen Aktienmärkte tiefere Zinsen – schliesslich werden zukünftige Gewinne stärker abdiskontiert. Deshalb sind kurzfristig sogar Kursgewinne möglich, falls dovishe Kandidaten als Favoriten gelten. Aber das Spiel mit der Unabhängigkeit einer Zentralbank ist heikel – das musste sogar ein Autokrat wie Erdogan lernen. Märkte lassen sich nicht täuschen. Wenn Fiskal- und Geldpolitik zu eng ineinandergreifen, reagieren sie empfindlich – mit höheren Risikoprämien; sprich Zinsen. 

Vielleicht heisst es also 2026 tatsächlich wieder einmal: Sell in May.

 

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