US-Finanzminister Scott Bessent verkündete kürzlich vor der Presse, dass seine Regierung an «Big, beautiful tax cuts» arbeite. Ziel: die Steuerlast für die untere Hälfte der US-Bevölkerung zu senken. Fast zeitgleich präsentierte die republikanische Partei ein Gesetzesvorhaben, das Steuererleichterungen im Umfang von mehr als 4 Billionen US-Dollar vorsieht. Das wäre die grösste Steuersenkung seit Reagan. Klingt gut? Nicht ganz.
Realität der US-Staatsfinanzen: Die nächste Krise ist absehbar
In den letzten fünf Jahren (2020–2024) hat die US-Regierung rund 10 Billionen US-Dollar mehr ausgegeben, als sie eingenommen hat. Für die kommenden fünf Jahre (2025–2029) wird mit ähnlichen Defiziten gerechnet. Danach beginnt eine neue Ära: die der strukturellen Dauerdefizite.
Drei Ausgabenblöcke machen ein Sparen fast unmöglich:
- Militärausgaben: kaum unter 1 Billion USD zu drücken.
- Zinskosten: Bei langfristigen Renditen von 4,5 % betragen die jährlichen Zinslasten über 1,5 Billionen USD.
- Sozialversicherungen: Die Demografie dreht das Verhältnis von Erwerbstätigen zu Rentnern ins Negative.
In den 1950ern kamen auf eine rentenberechtigte Person noch 5–6 Erwerbstätige. Heute? Praktisch umgekehrt. Die Folge: Der Staat gibt immer mehr Geld aus – für Menschen, die nicht mehr arbeiten.
Und jetzt Steuersenkungen?
In einem idealen Szenario kann eine Steuerreform Investitionen mobilisieren, Innovation fördern und Wachstum stärken. Aber nicht, wenn der Staat dazu neue Schulden aufnehmen muss. Denn dann braucht es Gläubiger. Und genau hier liegt Trumps Achillesferse.
Ich habe in einem früheren Blog gefragt: Trump, der neue Truss? Die Parallelen sind frappant. Liz Truss versprach 2022 Steuersenkungen ohne Gegenfinanzierung. Die Folge: ein Anleihencrash und ihr Rücktritt nach 44 Tagen. Der Anleihenmarkt ist unbestechlich. Auch Trump kann sich ihm nicht entziehen.
Wenn der Kapitalmarkt rebelliert
Der Anleihenmarkt ist bereits in Alarmstimmung. Die Renditen von US-Staatsanleihen sind trotz Rezessionssorgen gestiegen, der Goldpreis auch. Denn: Wer glaubt, dass die USA ihre Schulden durch Gelddrucken finanzieren können, flüchtet in reale Werte. Die «Bond Vigilantes» – eine von Ed Yardeni geprägte Figur für die unbarmherzigen Wächter fiskalischer Disziplin – sind zurück.
Wenn wir schon bei Gold und Schulden sind: Würde die US-Notenbank Fed das Haushaltsloch stopfen müssen, wäre das Vertrauen in die US-Währung ernsthaft gefährdet. Wenn die US-Goldreserven (ca. 8’000 Tonnen) den im Ausland gehaltenen Schulden entsprechen müssten, läge der faire Goldpreis bei 40’000 Dollar pro Unze.
Trumps drei Versprechen – und warum sie sich gegenseitig blockieren
Trump hat ein einfaches Zielbild: weniger Steuern, mehr Exporte als Importe, weniger Defizit. Doch ökonomisch betrachtet beissen sich diese drei Ziele.
- Erstens: Steuersenkungen stimulieren den Konsum. Das mag innenpolitisch populär sein – verschärft aber das Aussenhandelsdefizit. Denn wenn die Sparquote nicht steigt, sondern sinkt, wächst das Leistungsbilanzdefizit weiter. (Mehr dazu im Blog Dear Mr. President.)
- Zweitens: Wer gleichzeitig die Exporte steigern will, braucht Investitionen in Produktivität und Innovation – nicht Zölle oder Abschottung. Handelsbilanzen lassen sich nicht politisch herbeisteuern, sondern spiegeln fundamentale Wettbewerbsfähigkeit.
- Drittens: Und wer das Staatsdefizit senken will, kann nicht einfach nur auf Einnahmen verzichten. Ohne Gegenfinanzierung zwingen Steuersenkungen den Staat zu Neuverschuldung – was wiederum die Kapitalmärkte nervös macht. Die Folge: steigende Zinsen, höherer Schuldendienst, noch weniger fiskalischer Spielraum. Aber Trump will doch auch die Ausgaben senken? Ja, doch wie oben gezeigt, ist dies einfacher gesagt als getan: Top, die Wette gilt!
Trumps Agenda wirkt wie ein ökonomisches Perpetuum mobile – politisch wohltönend, aber physikalisch unmöglich.
Fazit: Trumps schöne Steuersenkungen und die harte Realität
Der Anleihenmarkt durchschaut die Unmöglichkeit des Perpetuum mobiles. Und erinnert daran: Nicht Trump regiert die Wirtschaft, sondern die Realität der Zahlen.
Wer die Steuerlast senken will, muss sagen, wo er kürzt. Wer das Defizit verringern will, muss das Sparen fördern. Wer Exporterfolge feiern will, muss im Inland investieren.
Alles andere ist schöne Rhetorik. Aber keine schöne Ökonomie.
PS: Nächste Woche schreibe ich nicht über Trump – versprochen!