Obwohl sich der jüngste Handelskonflikt vordergründig auf Zölle bei Waren konzentriert, machen sie vielen in der Schweizer Tourismusbranche Sorgen. In der jüngsten Branchenumfrage von HotellerieSuisse nannten die Betriebe den internationalen Handelsstreit und die geopolitische Lage als die beiden grössten Herausforderungen. Denn auch wenn Dienstleistungen wie der Tourismus für US-Präsident Trump offensichtlich keine Rolle spielen, bleiben indirekte Auswirkungen nicht aus.
BAK Economics hat in der kürzlich veröffentlichten Tourismusprognose verschiedene Szenarien durchgerechnet, die aufzeigen, wie sich der Handelskonflikt und die wirtschaftliche Lage auf die Nachfrage im Schweizer Tourismus auswirken. Die möglichen Folgen sind erheblich. Entsprechend erinnert die US-Zollpolitik erinnert weniger an einen Schmetterlingsflügelschlag, sondern eher an einen Elefanten im Porzellanladen.
Der Schweizer Tourismus hat sich in den vergangenen Jahren stark entwickelt
Mit der Veröffentlichung der Logiernächtezahlen für den April lässt sich eine Bilanz der vergangenen Wintersaison ziehen. Insgesamt zeigt sich der Schweizer Tourismus in guter Verfassung. Mit 18.5 Millionen Übernachtungen wurde ein neuer Höchstwert erreicht. Damit setzt sich das stabile Wachstum seit dem Ende der Covid-19-Pandemie fort.
Ein besonders markanter Trend der letzten zehn Jahre ist der starke Anstieg der Gästezahlen aus den USA. Ihre Zahl hat sich seit 2014 verdoppelt, trotz der Unterbrechung durch die Covid-Pandemie. Auch in den letzten Saisons stieg die Zahl der US-Gäste mit zweistelligen Raten, unabhängig von kurzfristigen Schwankungen beim Wechselkurs oder konjunkturellen Unsicherheiten.
In der Sommersaison sind die USA bereits der wichtigste ausländische Herkunftsmarkt. Mittlerweile werden mehr Übernachtungen von US-Gästen gezählt als von Gästen aus Deutschland. Die längerfristige Entwicklung unterstreicht diese Bedeutung zusätzlich. In den letzten zehn Jahren ist die Zahl der ausländischen Logiernächte um 2.1 Millionen gestiegen, davon entfallen allein 1.8 Millionen auf Gäste aus den USA.
Zudem gelten US-Gäste als besonders ausgabefreudig. Betrachtet man nicht nur die Anzahl Übernachtungen, sondern auch die Ausgaben in der Hotellerie, Gastronomie und weiteren touristischen Leistungen, dürfte ihr Anteil noch höher liegen.
Szenarien zur Entwicklung der US-Nachfrage
Im Rahmen der aktuellen Prognose hat BAK Economics mehrere Szenarien zur touristischen Nachfrage erarbeitet. Das Ergebnis ist eindeutig: Die Abwärtsrisiken überwiegen. Das Positivszenario unterscheidet sich nur leicht vom Basisszenario, während das Negativszenario eine spürbare Abschwächung zeigt.
Im Negativszenario wird von den höheren am «Liberation Day» verkündeten Zöllen sowie weiterer politischer und wirtschaftlicher Unsicherheit ausgegangen. Die Analyse zeigt, dass in diesem Fall der Rückgang der Nachfrage aus den USA der wichtigste Treiber ist. Mehrere Entwicklungen wirken gleichzeitig bremsend:
- Die US-Wirtschaft wird sich abschwächen, was sich negativ auf den Konsum auswirkt.
- Die Zölle führen zu höheren Preisen im Alltag und schmälern die verfügbaren Budgets. Dadurch bleibt weniger Spielraum für Reisen ins Ausland.
- Ein schwächerer US-Dollar senkt die Kaufkraft im Ausland.
- Gleichzeitig neigt der Franken in Krisenzeiten dazu, aufzuwerten, was diesen Effekt noch verstärkt.
- Eine starke Korrektur an den Börsen führt zu Vermögensverlusten.
Gerade der letzte Punkt wiegt schwer, da viele US-Haushalte grosse Teile ihres Vermögens in Aktien angelegt haben. Ein deutlicher Rückgang an den Börsen trifft vor allem die obere Einkommensschicht, diejenige welche für den Schweizer Tourismus besonders relevant ist. Denn wer sich eine Reise in die Schweiz leisten kann, gehört meist zu den finanziell Bessergestellten. Diese Gäste reagieren zwar weniger empfindlich auf Preiserhöhungen, allerdings führt die Summe dieser Faktoren im Negativszenario zu einem Rückgang der US-Nachfrage, der in seiner Grössenordnung mit jenem nach der Finanzkrise 2008 vergleichbar wäre.

Der US-Boom dürfte vorerst vorbei sein
Auch die anderen Szenarien gehen davon aus, dass das starke Nachfragewachstum der US-Gäste nicht im bisherigen Tempo weitergeht. Erste Frühindikatoren deuten bereits auf eine Verlangsamung hin. So liegt das Wachstum der Kreditkartentransaktionen erstmals unter dem üblichen Wachstum der letzten Jahre. Auch Konsumentenbefragungen in den USA zeigen eine gewisse Zurückhaltung. Der Anteil der Personen, die in den nächsten sechs Monaten eine Auslandsreise mit dem Flugzeug planen, ist erstmals seit der Pandemie zurückgegangen. Die neuesten Daten aus dem April zu den Logiernächten zeigen zwar weiterhin ein Wachstum von fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr, doch es ist das schwächste Monatswachstum seit dem Ende der Covid-Beschränkungen. Hinzu kommt, dass die derzeitige US-Wirtschaftspolitik in den aktuellen Zahlen noch kaum abgebildet ist. Konsumenten spüren deren Auswirkungen verzögert, und Fernreisen werden in der Regel mit längerem Vorlauf geplant.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass das kräftige Wachstum der US-Gäste in dieser Form nicht weitergehen wird. Ein deutlicher Rückgang ist zwar derzeit nicht das wahrscheinlichste Szenario, sollte jedoch nicht ausser Acht gelassen werden.