DER AUFSCHWUNG BEGINNT IM KOPF

Die frischgekrönten Nobelpreisträger Joel Mokyr, Philippe Aghion und Peter Howitt haben eine Botschaft, die aktueller kaum sein könnte: Wachstum entsteht nicht durch Zufall, sondern durch die ständige Erneuerung von Ideen, Institutionen und Geschäftsmodellen. Oder, mit Schumpeter gesprochen: Kreative Zerstörung ist kein Schönwetterprogramm, sondern das Fundament des Fortschritts.

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Joel Mokyr, der Historiker unter den Preisträgern, zeigte in A Culture of Growth, dass die industrielle Revolution nicht einfach „in England passierte“, sondern aus einer geistigen Revolution entstand: Eine Kultur, die auf Neugier, Austausch und Experimentieren setzte – von Francis Bacon bis Isaac Newton.

Wo früher Autorität galt, zählte plötzlich Evidenz. Diese Verschiebung, schreibt Mokyr, „entfesselte die produktivste Idee der Menschheitsgeschichte: dass Fortschritt möglich ist.“

Aghion und Howitt gossen diese Idee in mathematische Form: In ihren Modellen von Endogenous Growth entsteht Wachstum, wenn Neues Altes verdrängt – aber nur, wenn Institutionen das zulassen.

Sie illustrieren das mit eindrücklichen historischen Beispielen:

  • Das England des 19. Jahrhunderts wuchs, weil Patentrecht, Kapitalmärkte und Bildungssystem Innovation unterstützten.
  • Das Frankreich des Ancien Régime stagnierte, weil Zünfte, Monopole und Bürokratie das Neue blockierten.
  • Und im 20. Jahrhundert verpassten Länder wie die Sowjetunion oder Argentinien Anschluss, weil staatlich gelenkte Systeme kreative Zerstörung aktiv verhinderten.

Warum das heute wieder zählt

Wir leben in einer Zeit, in der sich Innovation rasend schnell bewegt – KI, Green Tech, Biotech – unsere Institutionen aber oft noch im analogen Takt schlagen und Gleichzeitig die politische Offenheit im Rückwärtsgang ist. 

Genau hier liegt die Aktualität der diesjährigen Preisträger: Sie mahnen, dass Wohlstand Offenheit braucht – offene Märkte, offene Wissenssysteme, offene Gesellschaften.

Die Zollpolitik der USA unter Donald Trump steht exemplarisch für das Gegenteil: Abschottung statt Austausch, Protektion statt Wettbewerb.

Und die EU?

Viel wird von Deregulierung gesprochen, doch in der Handelspolitik dominiert derzeit das Motto „Jeder gegen jeden“. Nicht nur Washington verhängt happige Zölle, auch Brüssel will sich nun stärker abschirmen – etwa mit Zöllen auf chinesischen Billigstahl. Betroffen ist auch die Schweiz. Internationale Kooperation sieht anders aus.

Und die Schweiz selbst?

Auch hierzulande steckt in vielen ein kleiner Trump. Marktöffnung – ja, aber bitte nur, wenn sie der Schweiz nützt.

Das Problem: Kreative Zerstörung lässt sich nicht verordnen.

Wenn Märkte fragmentieren, Wissenstransfer versiegt und Unternehmen sich hinter Zollmauern verschanzen, erstickt Innovation. Sie verlagert sich in geschlossene Systeme, in denen politischer Einfluss mehr zählt als gute Ideen.

Schumpeter hätte es wohl so formuliert: Wer Innovation von aussen schützen will, schützt sie tot.

Fazit

Der diesjährige Nobelpreis erinnert uns daran, dass Fortschritt kein Naturgesetz ist. Er ist das Resultat einer Haltung: Offenheit, Neugier und Optimismus.

In einer Welt, die sich zunehmend abschottet – handelspolitisch, institutionell, manchmal auch mental – ist das vielleicht die wichtigste Botschaft: Innovation beginnt im Kopf.

Die Älteren erinnern sich: In den 1990er-Jahren startete der Bund eine Kampagne mit genau diesem Slogan – „Der Aufschwung beginnt im Kopf.“ Damals wollte man die Schweiz nach der Immobilienkrise und dem Rezessionstief wieder wachrütteln.

Heute, drei Jahrzehnte später, ist die Botschaft aktueller denn je. 

Oder, um Trump zu zitieren: Fight, Fight, Fight!

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