Der vergangene Sommer war dank mehrerer Grossveranstaltungen besonders stark. Insbesondere die Fussball-Europameisterschaft der Frauen hatte einen spürbaren Effekt (LINK). Auch für die kommende Wintersaison erwarten wir ein weiteres, wenn auch moderates Wachstum (LINK)
Unsere Prognose ordnet die kurzfristige und mittelfristige Entwicklung ein. Dafür müssen wir aber auch langfristige Trends im Blick behalten, insbesondere bei Strukturbrüchen. Einer dieser Brüche betrifft die Entwicklung auf den Fernmärkten, die wir in einem Exkurs vertieft analysiert haben.
In der Periode 2014–2019 wuchsen die Logiernächte von Gästen aus den Fernmärkten um 2.4 Mio. Das Wachstum der Logiernächte stammte praktisch ausschliesslich aus den USA und Asien. Hinter den USA gehörten die fünf wachstumsstärksten Herkunftsländer allesamt zu den asiatischen Märkten.
In der Periode 2019–2024 zeigt sich ein anderes Bild. Die Übernachten aus den Fernmärkten stiegen nur um 0.1 Mio. Die USA blieben der wichtigste Wachstumsmarkt, doch die fünf Länder dahinter kamen allesamt aus anderen Weltregionen. Derweil verzeichnete Asien einen starken Rückgang.
Diese Verschiebung wirft zentrale Fragen auf. Wo sind die asiatischen Gäste geblieben? Warum wächst die Nachfrage aus diesen «neuen Wachstumsmärkten? Und wie unterscheiden sich diese neuen Herkunftsländer in ihren Eigenschaften?
Wo sind die asiatischen Gäste geblieben?
Der Rückgang aus Asien hängt stark, aber nicht ausschliesslich, mit China zusammen. Die Übernachtungen chinesischer Gäste liegen weiterhin bei nur rund 60 Prozent des Niveaus von 2019. Eine vollständige Erholung ist innerhalb unseres Prognosehorizonts bis 2027 nicht absehbar.
Hauptgründe:
- Die chinesische Wirtschaft leidet unter der Immobilienkrise, die (Konsumenten)stimmung bleibt gedrückt.
- Die Reisetätigkeit nach Europa ist insgesamt gering, das betrifft nicht nur die Schweiz.
- Die verfügbaren Flugkapazitäten wurden entsprechend reduziert.
- Der inländische Tourismus in China boomt, gefördert durch staatliche Kampagnen, Subventionen und Gutscheine.
- Es gibt Berichte dazu, dass Bürgern die Ausreise aus politischen Gründen erschwert wird.
- Das Reiseverhalten verändert sich: Jüngere Generationen bevorzugen individuelle Erlebnisse statt Gruppenreisen.
Auch aus anderen asiatischen Ländern wurde ein Rückgang der Nachfrage verzeichnet. Gründe sind steigende Flugpreise, das gestiegene Preisniveau in Europa und der anhaltende touristische Aufschwung innerhalb Asiens selbst.
Warum wachsen die neuen Fernmärkte?
Bei Brasilien und Mexiko ist der Zusammenhang offensichtlich: Beides sind grosse Volkswirtschaften mit wachsender Mittel- und Oberschicht. Immer mehr Menschen können sich eine Europareise leisten.
In der Türkei ist die Situation komplexer. Trotz dem Zerfall der Währung und hoher Inflation steigt die Zahl der Gäste. Ein Teil der reisefreudigen Bevölkerung verfügt über Einkommen in Fremdwährungen, da sie bei internationalen Unternehmen angestellt sind. Auch die grosse türkische Diaspora in der Schweiz und Europa dürfte den Tourismusverkehr verstärken.
Für Australien und Kanada zeigt sich ein anderer Mechanismus. Hier sorgt die Babyboomer-Generation für steigende Reisetätigkeit. Diese Altersgruppe ist vermögend, gesund und aktiv. Und nutzt nun den Ruhestand zum Reisen.
Wie unterscheiden sich die neuen Märkte?
Die Fernmärkte werden vielfältiger. Gäste aus Brasilien und Mexiko sind tendenziell jünger und stark digital geprägt. Influencer und soziale Medien beeinflussen ihre Reiseentscheidungen. Gäste aus Australien und Kanada sind meist älter, planen ihre Reisen frühzeitig und interessieren sich besonders für aktive Erlebnisse in der Natur.
Für den Schweizer Tourismus ergeben sich daraus neue Anforderungen für die Leistungserbringer. Gleichzeitig eröffnen sich Chancen. Reisende aus diesen Märkten kommen zu anderen Zeiten als europäische Gäste und tragen damit zur Glättung der saisonalen Schwankungen bei. So ist der Januar bei brasilianischen Gästen der beliebteste Reisemonat, und sie bevorzugen Städtereisen. Gerade in einer Zeit, die dort zur klaren Nebensaison zählt. Damit können sie einen Beitrag leisten zur Entwicklung hin zur Ganzjahresdestination.
