Beide Unternehmen – weitgehend unbekannt, hoch verschuldet über Private-Debt-Fonds und Bankenkredite – stehen für die Schwachstellen eines Systems, das nach den Krisen von 2008 und 2023 eigentlich robuster sein sollte. Dass erneut plumpe Betrugs- und Bilanzfälle ans Licht kommen, ist kein gutes Zeichen.
Ob das der Beginn einer neuen Bankenkrise ist, weiss niemand. Ökonomenfriedhöfe sind voll von jenen, die zu früh warnten. Doch sicher ist: Die makroökonomischen Parameter verschieben sich, und Veränderung bringt immer auch Verlierer mit sich. Die Musik spielt also noch – aber weniger schön.
1. Geringe Liquidität – hoher Druck
Die US-Geldmarktliquidität zeigt im Oktober 2025 deutliche Stresssignale.
- Bankreserven bei der Fed sind jüngst wieder unter die symbolische Marke von 3 Billionen USD gefallen.
- Der SOFR–RRP-Spread liegt bei 29 Basispunkten, ein klassisches Signal für „Funding Pressure“. (Jargon für: Der Zinssatz für über Nacht besicherte Kredite (Secured Overnight Financing Rate) – liegt ungewohnt weit über der Reverse Repo Rate (RRP) der Fed) – offenbar brauchen gewisse Banken Liquidität selbst zu hohen Kosten).
- Die Bilanzschrumpfung der US-Notenbank („Quantitative Tightening“) wirkt wie ein Staubsauger für Marktliquidität: Die Federal Reserve reduziert ihre Bestände an Staatsanleihen, wodurch weniger Liquidität im System zirkuliert.
Folge: steigende kurzfristige Zinsen, angespannte Refinanzierung – und wachsender Druck auf die FED, ihr Bilanzabbauprogramm (QT) früher zu stoppen.
2. Trumps Politik – Unsicherheit als Programm
Trumps Wirtschaftspolitik verschärft die Lage.
- Der Fall Tricolor (Autokreditgeber für Migranten) zeigt, wie fragil Teile des Subprime-Markts sind, wenn eine Kundengruppe ausgeschafft oder verfolgt wird.
- Trumps Attacken auf die Fed und seine Zolleskalation schwächen das Vertrauen in den US-Dollar als Weltwährung.
- Höhere US-Schulden und protektionistische Politik führen zu erhöhter Volatilität bei Staatsanleihen – Banken refinanzieren sich teurer.
Kurzfristige Zinssenkungen mögen Erleichterung bringen, langfristig aber steigt die Risikoprämie. Wer das «Privileg der Weltwährung», welches mit tieferen Refinanzierungskosten einhergeht, in Frage stellt, erhält höhere Refinanzierungskosten.
3. Komplexität – die wahre Schwäche
Der US-Kreditmarkt ist ein Labyrinth aus Private-Debt-Fonds, CLOs und Schattenbanken.
Risiken sind über viele Vehikel verteilt und in keiner Bilanz klar erkennbar.
Die First Brands-Pleite zeigt: Milliardenverbindlichkeiten können ausserhalb der klassischen Aufsicht schlummern – bis sie platzen.
4. Der Staat als Liquiditätskonkurrent
Das US-Treasury flutet den Markt mit kurzfristigen T-Bills, um die Finanzierung der Staatsdefizite zu sichern.
Diese Papiere gelten als sicher, gut verzinst (ironischerweise sind die Aufschläge von Unternehmen in den Kreditkosten derzeit ausserordentlich gering) – und entziehen Kapital aus dem Unternehmenssektor (Crowding Out).
Parallel drängen Stablecoins mit politischem Rückenwind als digitale Alternativen in den Markt: Einlagen fliessen aus Lokalbanken ab, deren Geschäftsmodell unter Druck gerät.
5. Schuldenexzess an der Börse
Die Margin Debt – also Kredite für Aktienkäufe – erreichte im September 2025 ein Rekordhoch von 1,1 Billionen USD.
Das entspricht rund 2 % der Marktkapitalisierung des S&P 500 – mehr als zur Dotcom-Blase.
Hohe Hebel bedeuten: Kleine Korrekturen können Kettenreaktionen auslösen, weil erzwungene Verkäufe die Kurse zusätzlich drücken.
6. Die KI-Wette
Der grösste Investitionsmotor heisst derzeit Künstliche Intelligenz.
Data-Center-Bauten verschlingen Milliarden; viele kleinere Anbieter finanzieren das Wachstum über Kredite.
Während Open AI, Microsoft, Amazon, Alphabet, Meta und co ihre KI-Investitionen bisher zumeist noch aus Cashflows stemmen, kippt das Verhältnis:
Bis 2030 werden über 3 Billionen USD an Investitionen erwartet – zunehmend fremdfinanziert.
Für Big Tech ist KI existenziell. Niemand wird das «Race for big data» stoppen, auch wenn das Geld teurer wird. Und solange Anleger an KI glauben, werden sie ihr Geld in diesem Bereich investieren (Crowding Out anderer Investitionen). Und wenn nicht, dann drohen hohe Bewertungsverluste.
Fazit
Die Liquidität im US-Geldmarkt trocknet aus, die Komplexität des Kreditsektors wächst, die Politik erzeugt Unsicherheit.
Noch sind die Ausfälle nicht systemisch, aber das Gleichgewicht ist fragil.
Die „AI-Economy“ boomt – die „Everything-Else-Economy“ stagniert.
Und wie immer in späten Zyklen gilt: Die Musik spielt, aber die Tanzfläche wird rutschig.
Meine Sorge: Was wird Trumps Reaktion auf die Ereignisse sein?
Vermutlich eine Senkung der Liquiditätsanforderungen und noch mehr Druck auf die Fed – damit die Musik lauter spielt, und man die Probleme nicht mehr hört.
