KOMPROMISS STATT „DEAL“ BEI DER AHV

Derzeit richten sich alle Augen auf die USA. Kommt der Deal – oder kommt er nicht? Während in Washington (oder Mar-a-Lago) weiter im Nebel gestochert wird, melden sich im Inland vermehrt Stimmen, die mahnen: Wir müssen unsere wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessern. Mein Blog richtet sich daher nicht auf geopolitische Spekulationen, sondern auf etwas Handfestes. Etwas, das uns alle betrifft. Etwas, das längst entschieden werden müsste – aber politisch aufgeschoben wird: Die AHV.

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Vor einigen Wochen habe ich zur AHV eine einfache Zahle ins Zentrum gestellt (LINK): Die AHV schreibt pro Kopf und Jahr ein Defizit von rund 11’000 Franken. Auf ein ganzes Leben betrachtet, wird das strukturelle Ungleichgewicht noch deutlicher:

  • 46 Beitragsjahre: 328’000 Franken Einzahlung
  • 21.5 Bezugsjahre: 379’000 Franken Rente
  • Lebensdefizit: 51’000 Franken pro Person

Dieses Defizit ist kein Zufall. Es ist Teil der Architektur. Die AHV war nie ein rein versicherungstechnisches Umlageverfahren. Sie war immer ein politischer Kompromiss – zwischen Jung und Alt, Frauen und Männern, Erwerbstätigen und Rentnerinnen und Rentnern, zwischen Staat und Bevölkerung. Daran will niemand ernsthaft etwas ändern. Aber: Die Balance muss stimmen.

Die Frage ist nicht, ob ein Defizit zulässig ist. Sondern: Wie gross darf es sein – und wie finanzieren wir es?

Drei Stellschrauben – ökonomisch unvermeidlich

Rein rechnerisch gibt es nur drei Wege, ein strukturelles Defizit zu korrigieren:

  1. Mehr Beiträge
  2. Weniger Leistungen
  3. Höheres Rentenalter

Das sind ökonomisch logische Stellschrauben – politisch aber höchst umstritten, um es wohlwollend zu formulieren.

Ein Defizit ist erlaubt – aber nicht jedes

Klar ist: Das strukturelle Defizit wird nicht verschwinden – es ist explizit vorgesehen. Der Bundesbeitrag ist keine Notlösung, sondern fest im Modell verankert. Doch auch hier gilt: Die Balance zählt. Wird das Defizit zu gross, kippt das System – finanziell, politisch, gesellschaftlich.

Die Diskussion darüber muss angesichts der Dimension des strukturellen Defizits von 51 000 CHF pro Person (das macht in einer 8-Millionen Schweiz ein Betrag von 400 Mrd. CHF) ehrlicher, klarer und intensiver geführt werden.

Was wird diskutiert – und was bringt es?

Die Reformvorschläge sind bekannt – viele davon seit Jahren:

Einnahmeseite (Kompensation):

  • Beitragserhöhungen bei Arbeitnehmern und Arbeitgebern 
  • Mehrwertsteuer
  • Höhere Bundesbeiträge
  • Teilweise Kapitaldeckung
  • Sonderabgaben (z. B. CO₂, Finanztransaktionen)

Ausgabenseite (Modulation):

  • Rentenalter erhöhen
  • Rentenhöhe dämpfen
  • Auslandrenten differenzieren
  • Anreize für längeres Arbeiten
  • Verwaltungskosten senken, Anlagerendite optimieren

Hier sind wir Ökonominnen und Ökonomen gefragt: Vor- und Nachteile aufzeigen. Sachlich, nüchtern, transparent. Denn: Die Politik braucht Fakten – nicht Stimmungen.

Zwischen Ökonomie und Politik – ein realistisches Paket

Dazu gehört auch: Den Elfenbeinturm zu verlassen.

Ein rein ökonomisch optimiertes System wäre effizient – aber politisch chancenlos.

Ein rein politisch bequemes System wäre populär – aber nicht finanzierbar.

Realistisch ist ein ausbalanciertes Paket:

  • Ein Mix aus strukturellen Anpassungen
  • Flankiert durch eine tragfähige staatliche Beteiligung
  • Sozialpolitisch abgestützt – etwa durch gezielte Kompensation für Haushalte mit tiefen Einkommen

Denn genau darum geht es: nicht um technische Perfektion oder einen «gerissenen deal» zu Gunsten der Lautesten, sondern um politische Tragfähigkeit. Nutzen wir den Ärger über die US-Disruptionen als Antrieb für Hausaufgaben im eigenen Land – mit einem typisch schweizerischen Kompromiss, der fair ist. Auch für kommende Generationen.

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