Donald Trump: Der Präsident der Disruption und des Opportunismus
Heute wird Donald J. Trump als 47. Präsident der Vereinigten Staaten vereidigt. Für Prognostiker ist Trump eine Herausforderung – Fluch und Segen zugleich. Einerseits nutzt er die Disruption als Werkzeug, was Vorhersagen per Definition erschwert (siehe auch Blog-Beitrag zur Prognose). Andererseits ist er Opportunist und kein Ideologe, was bedeutet, dass er bereit ist, seinen Kurs zu ändern, wenn die Wirtschaft oder Gesellschaft leidet.
Ideologen hingegen – wie beispielsweise Karl Marx, um beim Thema Wirtschaft zu bleiben – folgen ihren Überzeugungen oft um jeden Preis, selbst auf Kosten der Wirtschaft. Marx› Theorien, buchstabengetreu umgesetzt, haben viel Leid verursacht. Ein Gegenpol ist sein Namensvetter Groucho Marx, der mit seinem berühmten Satz „I am a man with many principles; if you don’t like them, I have others“ die Essenz des Opportunismus humorvoll auf den Punkt brachte.
Doch selbst Trump zeigt ideologische Züge, besonders bei einem Thema: der Handelsbilanz. Für ihn ist
ein Handelsbilanzüberschuss grundsätzlich unfair – ein Dogma, das er beharrlich vertritt.
Die Sängerin Pink schrieb einst „Dear Mr. President“, einen Song, der George W. Bush zu einem Politikwechsel
bewegen sollte. Auch ich würde gerne Präsident Trump erklären, dass ein Handelsbilanzüberschuss weder moralisch noch unfair ist, sondern schlicht das Ergebnis von Konsum- und Investitionspräferenzen eines Landes.
Handels- und Leistungsbilanz: Komplexität einfach erklärt
Die Handelsbilanz stellt Importe und Exporte von Waren eines Landes gegenüber. Werden Dienstleistungen einbezogen (was Trump nicht tut), spricht man von der Leistungsbilanz. Das Pendant dazu ist die Kapitalverkehrsbilanz, die Geldströme über Ländergrenzen hinweg misst. Diese beiden Bilanzen gleichen sich aus – ebenso wie die Leistungsbilanzen aller Länder weltweit, solange wir nicht mit Ausserirdischen Handel treiben. Es können also nicht alle Länder gleichzeitig einen Leistungsbilanzüberschuss haben.
Etwas Theorie – es gilt:
Einkommen (Y) = Konsum (C) + Sparen (S)
Einkommen (Y) = Konsum (C) + Investitionen (I)
In einer geschlossenen Volkswirtschaft entspricht Sparen (S) den Investitionen (I). In offenen Volkswirtschaften, wie wir sie durch den Freihandel erleben, können jedoch auch diese Beziehungen entstehen:
- S > I: Mehr Ersparnisse als Investitionen → Leistungsbilanzüberschuss.
- S < I: Weniger Ersparnisse als Investitionen → Leistungsbilanzdefizit.
Ein Leistungsbilanzüberschuss spiegelt also einen relativen Überschuss an nationalen Ersparnissen im Vergleich zu den nationalen Investitionen wider. Bildlich (und vereinfacht) gesprochen: Mehr Güter und Dienstleistungen werden importiert, und das notwendige Kapital fliesst ins Ausland, um diese Importe zu bezahlen.
Politische Einflüsse und Konsequenzen
Sollte ein Leistungsbilanzüberschuss politisch bewertet werden, dann ist die Interpretation die folgende: Offenbar herrscht im Inland ein Mangel an Gütern und Dienstleistungen, für welche die Haushalte ihr Geld ausgeben möchten. Gleichzeitig halten es die inländischen Unternehmen offenbar nicht für rentabel, die gewünschten Güter und Dienstleistungen im Inland herzustellen.
Die Politik kann Leistungsbilanzüberschüsse demnach nur ändern, indem sie nationale Konsum- und Investitionsentscheidungen beeinflusst. Das ist Innenpolitik. Wenn man den Haushalten den Konsum ausländischer Produkte mittels Zölle oder Verboten vergrault, so müssten die inländischen Unternehmen diese auch herstellen. Ansonsten sinkt die nationale Wohlfahrt (mehr dazu auf Tiktok..)
Mythos Fairness
Kritiker argumentieren oft, dass Subventionen – namentlich aus China – zu einer Wettbewerbsverzerrung führen. In solchen Fällen sind Zölle nach den Regeln der WTO zwar zulässig, doch dienen sie nicht dazu, Handelsbilanzen auszugleichen, sondern um Dumping zu verhindern.
Ein Beispiel der Absurdität der politischen Fixierung auf Handelsbilanzüberschüsse bietet die Schweiz. Kantone
und Gemeinden erheben keine Statistiken über ihre „grenzüberschreitenden“ Transaktionen. Wenn meine Wohngemeinde Küsnacht solche Daten erfassen würde, ergäbe sich wohl ein erhebliches Handelsbilanzdefizit: Es gibt kaum Fabriken, aber viele Haushalte, die konsumfreudig sind. Trotzdem zählt Küsnacht zu den reichsten Gemeinden der Schweiz – die Einwohner ziehen einfach gerne Waren und Dienstleistungen von ausserhalb vor, während lokale Unternehmen sich auf spezialisierte Geschäftsfelder konzentrieren.
Dear Mr. President
Ein Handelsbilanzüberschuss ist kein moralisches oder unfaires Problem. Er spiegelt lediglich die wirtschaftlichen Präferenzen Ihrer Bürgerinnen und Bürger wider!