Bitcoin?

Der frühere US-Präsident Truman sprach einst von «zweihändigen» Ökonomen, da deren Antworten stets von ambivalenter Zweiseitigkeit geprägt sind. Geht es um Bitcoin, scheinen Ökonomen sogar zu achtarmigen Tintenfischen zu mutieren – mindestens. Schweizer Demokratie sei Dank erfordert nun die Bitcoin-Initiative eine klare Antwort: Ja oder Nein – auch von mir.

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Die drei Lager rund um Bitcoin

Zu Bitcoin gibt es drei Lager: Die einen sehen darin die Zukunft des Geldes oder haben durch Investitionen beträchtliche Gewinne erzielt. Andere – weniger sichtbar – haben Verluste erlitten oder halten Bitcoin für wertlos. Das dritte Lager besteht häufig aus Bankökonomen, die sich je nach Unternehmensstrategie oder Compliance-Vorgaben in ihren Aussagen zurückhalten oder vor Begeisterung sprühen.  

Letzten Dezember wurde in der Schweiz eine Initiative eingereicht, die fordert, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) Bitcoin als Teil ihrer Währungsreserven hält. Die Erfolgsaussichten dieser Initiative sind jedoch gering. Thomas Jordan, der frühere Präsident der SNB, hat sich klar dagegen positioniert, und es ist unwahrscheinlich, dass sein Nachfolger Martin Schlegel eine andere Meinung vertritt. Angesichts des hohen Vertrauens, das die SNB in der Schweizer Bevölkerung geniesst, ist eine Annahme der Initiative – ja, sogar ihr Zustandekommen – unrealistisch.  

Meines Erachtens handelt es sich bei dieser Initiative eher um einen Marketing-Gag oder einen Denkanstoss der Schweizer Krypto-Community sowie ein Projekt von Skeptikern des aktuellen Geldsystems. Das Positive daran ist, dass sich endlich auch Ökonomen klar zu dieser Idee positionieren müssen.  

Was ist Bitcoin?
  
Bitcoin ist die bekannteste Digitalwährung. Seit seiner Einführung im Juli 2010 hat sich der Wert im Durchschnitt fast jedes Jahr verdoppelt. Jüngst überschritt die digitale Leitwährung, die ursprünglich für einen Dollar gehandelt wurde, die Marke von 100’000 Dollar. Dies geschah mit Rückenwind der Zulassung von Bitcoin-ETFs, der Wahl von Donald Trump mit seinem Ruf nach Deregulierung und seiner Ankündigung einer strategischen Bitcoin-Reserve.  

Die Entwicklung in den letzten rund 15 Jahren war jedoch alles andere als gradlinig. Seit 2014 hat Bitcoin vier Kurseinbrüche von über 50% erlebt. Einer dieser Einbrüche wurde innerhalb von sechs Monaten ausgeglichen, während die anderen drei durchschnittlich einen Verlust von rund 80% verzeichneten.  

Ist Bitcoin eine Währung?  

Nein, Bitcoin ist keine Währung im klassischen Sinne. Laut ökonomischer Theorie erfüllt eine Währung drei Hauptfunktionen: Zahlungsmittel, Recheneinheit und Wertaufbewahrung. Der Schweizer Franken erfüllt all diese Funktionen vollständig.  

Wir rechnen intuitiv in Franken, zahlen bequem mit Karte, Twint oder Bargeld und vertrauen der SNB in Bezug auf Preisstabilität. Wer hingegen rechnet in Bitcoin? Zahlungen sind umständlich, und die hohe Volatilität macht Bitcoin ungeeignet zur Wertaufbewahrung.
  

Ist Bitcoin ähnlich einer Aktie oder einer Anleihe?

Bitcoin-Fans könnten einwenden, dass auch Aktien, Anleihen und Rohstoffe volatil sind. Das ist zwar korrekt, doch die Volatilität von Bitcoin ist weitaus höher. Aktien schwankten in der Vergangenheit etwa viermal weniger stark. Zudem basiert der Aktienwert auf den erwarteten zukünftigen Gewinnen eines Unternehmens – ein Wert, der analysierbar und abschätzbar ist. Im Finanzjargon spricht man von einem «intrinsischen Wert», der sich aus der Beteiligung am Unternehmenserfolg ergibt.

Anleihen bieten derweilen einen festen Zins, und die Bonität des Schuldners lässt sich relativ genau beurteilen – auch hier existiert ein gewisser intrinsischer Wert.

Bitcoin hingegen hat keinen solchen intrinsischen Wert – ein Bitcoin ist nur so viel Wert, wie es ihm die zukünftigen Käufer zutrauen. Das Gegenargument von Bitcoin Anhängerinnen und Anhängern: Bei Rohstoffen, insbesondere Gold, ist dies ebenfalls nur eingeschränkt der Fall.

Ist Bitcoin das neue Gold? 
 

Auf den ersten Blick gibt es Parallelen: Der Wert von Gold beruht ebenfalls auf seiner Knappheit, die durch hohe Förderkosten aufrechterhalten wird (wie beim Bitcoin mit potenziell hohen Umweltkosten). Für illegale Transaktionen ist es als Tauschmittel beliebt. Und auch der Goldpreis ist zuletzt – etwa durch den Krieg in der Ukraine, die Beschlagnahmung russischer Währungsreserven und die steigende Inflation – deutlich gestiegen. Zentralbanken kaufen vermehrt Gold, um Währungsreserven zu diversifizieren. 

Doch Gold hat eine Jahrtausende lange Geschichte als Wertaufbewahrungsmittel und eine dezentrale Eigentümerstruktur mit Milliarden an Goldbesitzerinnen und -besitzern. Es ist greifbar, einfach zu lagern, und die industrielle Nutzung schafft eine gewisse Preisuntergrenze.  

Im Vergleich dazu ist Bitcoin jung, und seine Eigentümerstruktur ist stark konzentriert: Rund 10’000 Personen kontrollieren über 60% des gesamten Bestands. Zudem werfen potenzielle Risiken durch Quantencomputer Fragen zur langfristigen Stabilität der Lagerung auf. 

Bitcoin aus Anlagesicht dem Finanzinstrument einer «Option» gleichzusetzen
 
Aus meiner Sicht ist Bitcoin nichts anderes als eine Option – quasi eine «Wette» auf Technologie und eine mögliche neue Weltordnung. Wer glaubt, dass traditionelle Währungen wie der USD verschwinden und Bitcoin zur Werterhaltung etabliert wird, kann investieren. Ebenso, wer Trumps Ankündigung massiver staatlicher Zukäufe vertraut. Hat man auf das richtige Pferd gesetzt, erhält man den Einsatz mit Gewinn zurück.   
Doch wie bei jeder Option besteht die Möglichkeit, den gesamten Einsatz zu verlieren. Kommt morgen beispielsweise ein BAK-Coin (nein, machen wir nicht), der vertrauenswürdiger ist, oder geht das Vertrauen in den Bitcoin sonst irgendwie verloren (Trump ändert seine Meinung..), ist der Programmcode von Bitcoin nicht mehr gefragt – was bleibt sind nur noch digitale Nullen und Einsen. 
Kein vernünftiger Anlageberater würde solche spekulativen Instrumente einem Kleinanleger empfehlen (während Optionen für qualifizierte Anleger natürlich durchaus ihre Bedeutung haben, etwa bei Absicherungsgeschäften – mehr dazu in einem weiteren Beitrag).
  

Soll die SNB Bitcoin halten?  

Ironischerweise tut sie das bereits – indirekt. Die SNB hat Währungsreserven im Gegenwert von mehr als 800 Milliarden Schweizer Franken. Die Währungsreserven und deren Allokation sind historisch gewachsen. Früher dominierten Gold und der Goldstandard, heute umfasst die Bilanz der SNB unter anderem auch Aktien. Derzeit ist rund ein Viertel in Aktien angelegt, auch im US-Markt. Und weil die SNB ihr Aktienportfolio breit und in der Regel gemäss Marktgewichten diversifiziert, hält sie auch Beteiligungen an US-Firmen wie MicroStrategy, Block oder Mara Holding. Und über diese ist die SNB in mindestens 500 Bitcoin investiert, wie Daten des Bitcoin-Finanzdienstleisters River zeigen.  
Die Diversifikation der SNB Währungsreserven dient aber vor allem operativen Zwecken: Währungsreserven ermöglichen es der SNB, bei Bedarf rasch zu handeln – sei es zur Stabilisierung des Frankenkurses oder in Krisensituationen.  
 
Denn der Auftrag der SNB ist zum Glück klar: die Gewährleistung der Preisstabilität. Eine zusätzliche Verzettelung in spekulative Anlagen wie Bitcoin halte ich für unnötig.  
Fazit: Ein klares Nein zur Initiative
  
Alles in allem halte ich die Idee der Initiative für wenig sinnvoll. Die SNB sollte in ihrer Anlagepolitik unabhängig bleiben und es gilt das Primat der Preisstabilität. Auch Bitcoin selbst sehe ich kritisch. In der Schweiz löst Bitcoin keine relevanten Probleme und ist als Anlageinstrument hochspekulativ – vergleichbar mit Optionen. Deshalb sage ich: Nein zur Initiative.
 
 
 

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